Wir kennen ihn alle, den einen Tag, an dem man die Spannung in der Luft förmlich fühlen und sehen kann. Die drückende Hitze, die sich zwischen Häuserfluchten und auf der Straße staut. Man kann es kaum erwarten, Abkühlung zu erfahren und danach den leichten Regen prasseln zu hören. Aber was passiert in der Zwischenzeit? Ach ja genau… Das Gewitter. Dieser Part ist irgendwie unangenehm, mit großer Spannung und Entladung, lautem Donnergrollen und kreischend hellen Blitzen und er macht uns Angst, weil es im Vorfeld unberechenbar ist.
So ein „Sommergewitter“ habe ich heute auch erlebt. Unsere Familie ist seit geraumer Zeit einer hohen Spannung ausgesetzt. Leider haben wir als Coping-Mechanismus gelernt, durchzuhalten, ein wenig geht schon noch, alles mit sich selber ausmachen, und „bäm“, schon ist es passiert. Das eigene Nervenkostüm ist gut, aber aus, und die Geduld meines Mannes detto. Die romantische Vorstellung von „Trinken wir nun in Ruhe unseren Kaffee zusammen“, wird immer wieder in mühevoller Kleinstarbeit zerstückelt. Die Nerven liegen blank, die Kluft zwischen Ist- und Soll-Zustand ist zum Zerreißen und verursacht ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Natürlich hat Corona mit seinen Vorgaben und Einschränkungen vor allem unser Zusatzeinkommen – nämlich aus der Musik – fast komplett eingestampft. Beide fühlen, wo der Schuh drückt, beide fühlen die Spannung, beide warten nur noch auf die Entlastung, wenn der Regen leise auf die fast vertrocknete Erde fällt. Doch wir müssen immer noch am Gewitter vorbei.
So sicher wie das Amen im Gebet, können wir nach so einem Tag die Entladung der aufgestauten Spannungen erwarten und so passiert es auch in uns.
Wer spricht denn die unangenehmen Themen an? Und wie verteidigt sich der andere, der quasi zur Rede gestellt wird? Wer sind wir, wenn wir mal die Mauern fallen lassen und wirklich Klartext reden? Mag uns der andere dann noch? Mögen wir ihn? Wie leicht hältst du Kritik aus? Und wie leicht geht uns ein „Es tut mir leid“ über die Lippen? Wo zucken die Blitze und wie laut grollt der Donner und vor allem wie schützen wir uns und unsere Lieben vor diesen unerwartet heftigen Entladungen.
Lange Zeit erlebten wir folgendes Phänomen. Es gab Zeiten, wo unsere Kinder noch regelmäßig bei unseren Ex-Partnern weilten und es war wirklich wie verhext – eine halbe Stunde nach der Übergabe der Kinder waren wir wie zwei Katzen, die sich um ein Wollknäuel stritten. Wir konnten es lange nicht einordnen und … es fühlte sich irgendwie eigenartig an. Die erste Zeit, wo die Kinder weg waren, sollten wir uns ja doch gut fühlen oder? Feiern? Oder zumindest, die Ruhe genießen. Nein. Unsere Spannung war über die Zeit so heftig angestiegen, sodass wir in den ersten 10 Minuten unseres Allein-seins nichts Besseres zu tun hatten, als in sinnlos motivierten Streit zu verfallen.
Heute – die Kinder verbringen fast die gesamte Zeit bei uns – kommt dies nicht mehr häufig vor, aber in extremen Stress-Situationen steigt unsere negative Ladung so dermaßen an, sodass es blitzt, donnert und wie aus Kübeln gießt. Ob das dann Vorwürfe sind oder Tränen ist dann auch schon egal. Unterm Strich sind danach alle klitschenass.
Wir leben alle bis zu einem gewissen Grad mit der Angst nicht geliebt zu sein, nicht genug zu sein. Es ist unglaublich, in wie vielen oder auch in welchen Situationen diese Angst zu Tage tritt. Wir haben in unserem Leben immer wieder irgendwelche Stempel abbekommen, Aussagen, die uns heute, Jahrzehnte später, noch immer triggern. Wenn das richtige Gegenüber da ist, das genau in diese Kerbe schlägt, dann kracht es und wir fühlen die Emotion, den Groll, den Ärger, die Enttäuschung, die wir damals schon gefühlt haben. Wenn wir dem nicht aktiv entgegenwirken, dann fahren unsere Gefühle mit uns Achterbahn.
Das Schöne am Sommergewitter ist, dass es ein „danach“ gibt, die Zeit des kühlen prasselnden Regens, der nach dem ganzen Wirbel wieder Vertrauen gibt, dass alles wieder gut ist. Die Temperatur hat sich wieder angepasst und ist nun leichter zu ertragen. Der ganze Schmutz ist von der Straße geschwemmt und hie und da ist sogar ein Regenbogen zu sehen.
Auch in uns fühlen wir sauber gewaschene Straßen, ein wohliges Gefühl, wenn die großen Streitbrocken mal draußen sind und wir uns auf die Räumarbeiten konzentrieren können. So, worum gings denn jetzt eigentlich?
Auf meiner inneren Reise – seit ich mich nicht mehr nur ständig ablenke – fühle ich plötzlich ganz, ganz viel. Mir kommt auch vor, die Schritte, die ich – aber die auch wir als Paar gehen – sind viel mehr, viel größer und viel effektiver. Eins ist klar, solche „Sommergewitter“ sind nur dann zu überstehen, wenn man sich liebt, schon gut kennt, im Grunde vertraut und beide eines wollen – nämlich zusammenbleiben, ansonsten stürzt das Ganze in ein Unwetter ab, wo danach eventuell gar nichts mehr stehen bleibt.
Verletzungen? Ja klar, die gibt es. Auch im Gewitter fällt dort und da ein Baum oder irgendwelche lose Teile fliegen durch die Luft. Aber es gibt danach auch das Halten, das gemeinsame Weinen, das Verzeihen und das Weitermachen.
Und darauf kommt es an.
In diesem Sinne
Be a voice, not an echo!
Eure Katrin
Yorumlar