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AutorenbildKatrin Platzer-Wutti

Lebens-WEISE

Wie wir unser Leben gestalten, hängt zu allererst davon ab, wie wir aufgewachsen sind und was wir gelernt und gesehen haben. Es ist jedoch auch möglich, Anpassungen zu treffen und das eigene Bezugssystem zu hinterfragen. Welche Schuhe ziehen wir an? Die unserer Eltern oder unsere eigenen? Im besten Fall entscheiden wir über unsere Lebensweise. Ob diese Lebensweise zu einem weisen Leben wird?

Gerade heute war ich mit meinem Mann und den Kindern an dem Ort, an dem alles begann. Nach knapp 4 Jahren Beziehung, Patchwork-Family, unzähligen Gesprächen, um es – aus zwei unterschiedlichen Welten kommend – gut auf die Reihe zu bringen. Zwangsweise stellt sich die Frage, war es das alles wert? Sind wir unserem Ideal nach harmonischer Familie mit einem Teen, drei Kindern und einem Kleinkind ansatzweise nahegekommen? Was ist mit uns als Paar? Welche Vorstellung bringt jeder von uns in die Beziehung mit und wie viel davon können wir glaubhaft leben?

Wenn ich in der Zeit zurückreise, dann wollte ich lange Zeit keine Kinder haben. Vor allem nach meiner Zeit nach meinem Burnout während der Ausbildung. Und da hatte ich bei weitem keine Ahnung, was mich da erwartet. Aber was einem oft so unverständlich scheint, kann sich manchmal schlagartig ändern. Jetzt haben wir oft bis zu 11 Kinder in unserem Riesenhaus und ich genieße es, den Kindern beim Spaß haben zuzusehen, ich kann mich krumm lachen über die Einfälle, die sie oft haben. Eine innige Umarmung meiner Kleinsten zum Beispiel macht die Geschehnisse des Tages wett. Eine fast philosophische Betrachtung der Welt mit meiner Großen und die Selbstverständlichkeit, mit der sie schon argumentiert, bringen mich zum Staunen. Meine mittlere Tochter betet im Abendgebet für Einsicht und Reue der Menschen im Gefängnis. Und ich denke mir oft heimlich, die Geduld und das immerwährende Erklären haben sich gelohnt. Wenn ich an meinen Kindern Mitgefühl und echtes Interesse am anderen entdecke, bin ich mehr als stolz. Ich habe gelernt, große Portionen zu kochen, ich habe gelernt, die Arbeit in Pakete einzuteilen und diese mit kurzen, klaren Ansagen zu übertragen. Und auch, wenn in Zeiten großer Herzensnot die Staubsauger still bleiben, dann hoffe ich, dass es DAS ist, woran sich meine Kinder erinnern, wenn sie groß sind. Dass ein „Wie geht es Dir“ wichtiger ist als ein perfektes Zuhause, dass ein „Ich hab dich lieb“ wertvoller ist als ein Streit über Macht und Rechthaberei. Das ist eine Lebens- und Sichtweise, die ich mit meinem Mann teile – und ich bin dankbar dafür. In den wenigen Wochenenden ohne Kinder nehmen wir die Arbeiten im Haus auf, die sonst oft liegen bleiben, aber auch da gibt es ein gemeinsames Abwägen, wie die Dinge gestaltet werden, was für uns am meisten stimmig ist und Sinn macht oder wir machen einfach Musik und verlieren uns darin. In welcher Weise lebst Du? Hast Du das Leben Deiner Eltern kopiert, oder lebst Du ganz etwas Eigenes?

Es gibt so viele Lebenswelten, Systeme, die aufgrund Deiner persönlichen Prägung gewählt werden. Meine älteste Tochter möchte später einmal auf einem Bauernhof leben und mir immer Kaffee kochen, wenn ich sie besuche. Meine andere Tochter möchte Delfintrainerin werden. Mein Stiefsohn möchte Spielzeugerfinder oder Polizist werden und unser Teenie schwankt noch zwischen Kunst und Sport. Ich finde es spannend, zu erleben, was draus wird und welche dieser Träume sich erfüllen werden.

Seit ich wieder angefangen habe zu schreiben, fühle ich mich so, als hätte ich mich ein Stück weit wiedergetroffen… vor ca. 30 Jahren. Ich finde Gegenstände oder höre Musik, die mir damals viel bedeutet haben. Mit meinem Mann sinnieren wir oft, wie es gewesen wäre, wenn wir uns zu diesem Zeitpunkt schon getroffen hätten. Und ein bisschen Wehmut fühlen wir beide. Die Lebensweise, die wir jetzt führen, ist oft nicht die einfachste und wir wünschen uns ein bisschen mehr jugendlichen Leichtsinn in dem Ganzen von Verantwortung geprägten Alltag. Aber dann verstehen wir, dass unsere Familie nur dadurch vollständig ist, dass jedes „unserer“ Kinder seinen Platz hat. Und dass uns jemand fehlen würde, wenn er nicht da wäre. Und dass wir vor all dieser Zeit nicht die Menschen gewesen wären, die wir heute sind.

Mein weises Leben besteht darin, mich und meine Grenzen kennen zu lernen und anzuerkennen, dass ich ein Mensch mit Fehlern und Beschränkungen bin, der täglich lernen darf. Und ich möchte diese Weisheit und Authentizität auch meinen Kindern weitergeben. Wenn ich mich selber ausreichend ernst nehme und meine Grenzen wahre, dann haben die Leute mit mir auch kein leichtes Spiel. Mein weises Leben besteht aber auch im Humor über mich selbst. Manchmal weist mich das Leben auch auf etwas hin – und ich darf genauer schauen und die Puzzleteile neu anordnen.


Wer ist mein Maßstab? Wem eifere ich nach? Angenommen ein Vater hat zwei Söhne. Er ist Workaholic und die Kinder sehen ihn kaum, weil er ständig arbeitet. Dann könnte sich Sohn eins für eine ähnliche Lebensweise entscheiden, Sohn zwei aber, weil ihn das Leben seines Vaters so stört, entscheidet sich genau dagegen und kommt als Lebenskünstler gerade so durch. Das Bezugssystem ist in beiden Fällen der Vater – und die Söhne gehen eben damit unterschiedlich um. Wenn ich mit den Fehlern aus der Vergangenheit – auch in der Erziehung durch meine Eltern – Frieden schließe und Elemente behalte, die ich gut finde, andere aber mit gutem Gewissen ersetze, so finde ich mein eigenes Bezugssystem, zu welchem ich stehen und welches ich auch vor meinen Kindern rechtfertigen kann. Alters- und interessensbedingt ergeben sich ohnedies immer wieder Änderungen.


Möge dich das Leben in die Richtung weisen, in die es gehen soll und mögest Du darauf hören. Und dann wünsche ich Dir, dass Du irgendwann mal zurückblickst und weißt, dass es richtig und gut war, wie es gekommen ist.




In diesem Sinne, lebe weise!


Eure Katrin

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